Projekt „Holzwerkstatt“

mit Förderung der Naturstiftung David
und Kooperationspartnern:
Uta Krispin, Revierförsterin Erfurt
Dipl. Biol. Katharina Leib, Fachhochschule Erfurt, Fachbereich Forst
Umwelt- und Naturschutzamt Erfurt
Naturerlebnisgarten Fuchsfarm Erfurt
Freunde und Förderer der Erfurter Fuchsfarm
Mario Huke, Holzkünstler aus dem Eichsfeld

Die Revierförsterin Uta Krispin hält eine Dose Farbspray in der Hand und zeigt auf eine junge Esche mitten im Steiger. „Schaut euch einmal hier um,“ fordert sie die Kinder des Waldkindergartens Erfurt auf, „hat dieser junge Baum genug Platz und Licht, um zu einer großen, stolzen Esche heran zu wachsen?“ Ein klares "Nein!" ertönt einhellig aus den Kinderreihen. „Hier stehen so viele Bäume ganz dicht, das ist ein richtiges Gedrängel.“ sagt Milla. „Und die großen Bäume oben lassen gar kein Licht zu uns durch.“ ergänzt Lucie. Uta Krispin drückt Kalle die Dose Farbspray in die Hand und erklärt: „ Dann markieren wir diesen Baum als Material für eure Holzwerkstatt und schaffen gleichzeitig ein bisschen Platz zum Wachsen für die anderen jungen Bäume.“ Kalle besprüht die Esche mit einem orangen Kreuz. Die Markierung bedeutet, dass sie gefällt werden darf. Ein Arbeitsschritt aus dem Leben einer echten Försterin.

Ein guter Start für das Projekt „Holzwerkstatt“ für die Kinder des Waldkindergartens des Augusta-Viktoria-Stiftes. Der Förderverein des Waldkindergartens Erfurt organisiert die traditionelle Holzwerkstatt zum dritten Mal in Folge auf der „Fuchsfarm“. Dieses Jahr steht das Projekt thematisch unter dem Stern der „Nachhaltigen Waldwirtschaft“. Mit der Revierförsterin Uta Krispin haben die Kindern am Montag morgen gleich eine Expertin an ihrer Seite. Gesucht werden Bäume, deren Holz die Kinder für ihre Arbeiten in der Werkstatt verwenden können. Bei einem gemeinsamen Gang durch den Wald erklärt Uta Krispin beispielsweise, dass die jungen Bäume viel Platz, Nährstoffe aus dem Boden, Wasser und besonders Licht brauchen, um einmal zu einem stattlichen Baum heran zu wachsen. Deshalb dürfen auf einem Waldstück mit dichtem Jungwuchs auch einige Eschen gefällt werden. Und ganz stolz schleppen die Waldkinder gemeinsam ihre Bäume zurück zur Fuchsfarm.

Dort wartet schon Mario Huke, Tischlermeister und Holzkünstler aus dem Eichsfeld, auf die fleißigen, kleinen Förster. Dank der Unterstützung des Umwelt- und Naturschutzamtes Erfurt findet die Holzwerkstatt auf dem wunderschönen Gelände des Naturerlebnisgartens „Fuchsfarm“ statt. Auch Mario Huke schwärmt von diesem Fleckchen Erde, an dem man sich dem Himmel so nah fühlt und der Blick weit ins Land zu den „Drei Gleichen“ schweifen kann. Dabei reist er mit seiner mobilen Werkstatt quer durch die Lande zu Schulen, Kindergärten und anderen Einrichtungen und hat viel gesehen.
Die Werkstatt unter freiem Himmel ist schon sorgsam aufgebaut. Von großen Regenplanen überspannt stehen Werkzeugkisten einladend offen. Heraus schauen Sägen, alte Handbohrer, Holzhämmer und Schnitzmesser. Eine großartige Sammlung alter traditioneller Holzbearbeitungswerkzeuge, die Mario Huke im Laufe der Jahre zusammen getragen hat. Daneben warten hölzerne Arbeitsbänke verschiedener Größen auf die kleinen Holzkünstler. Doch bevor sich die erwartungsvollen Kinder in die Arbeit stürzen können, stellt Mario Huke zuerst die einzelnen Werkzeuge und ihre richtige Handhabung vor. Mit großen Augen schauen die Kleinen auf das scharfe Beil, mit dem das Anspitzen eines dicken Astes demonstriert wird. „Ich arbeite nur mit gut gepflegten Werkzeugen.“ erklärt Mario Huke. „Das verringert die Verletzungsgefahr erheblich. Mit einer stumpfen Schneide benötige ich viel mehr Kraft und die Gefahr, dabei abzurutschen und mich zu verletzten ist ungleich größer.“ Die ErzieherInnen können das aus den Erfahrungen der letzten drei Jahre bestätigen. Eine einzige Schnittwunde am Finger war bislang das „größte“ Malheur.

Aber nun heißt es loswerkeln und schnitzen, dass die Späne fliegen! Insgesamt 36 Kinder im Alter von 3 bis 6 Jahren und ihre 4 ErzieherInnen verbringen eine Woche lang ihren Kindergartentag in der Holzwerkstatt. Damit jedes Kind in Ruhe arbeiten und entsprechend seinem Alter betreut werden kann, werden drei verschiedene Altersgruppen gebildet. Die Dreijährigen sind gleich nach dem Frühstück dran. Das sind die Kräfte noch frisch. Für sie steht das Ausprobieren der Werkzeuge im Vordergrund. Die Kinder der mittlere Altersstufe warten schon mit konkreten Ideen auf. Mario Huke hat alle Hände voll zu tun, bei der Umsetzung der Vorstellungen zu unterstützen. Holzmesser und Hammer liegen stark im Trend.

Während die Jüngeren fleißig werkeln, gibt es für die Vorschulkinder noch eine extra Portion geistige Nahrung. Zusammen mit Katharina Leib von der Fachhochschule Erfurt aus der Fakultät Forstwissenschaft wird ganz wissenschaftlich eine wichtige Frage untersucht: „Wie werden kleine Bäume ganz groß?“ Als kleine Förster verkleidet, nehmen die Kinder mit viel Enthusiasmus und Neugier ein Stück Wald genau unter die Lupe. Denn bekanntlich kennt der Förster seinen Wald wie die eigene Hosentasche. Die Kinder markieren die kleinen, mittelgroßen und großen Bäume mit jeweils verschiedenen Farbbändern. Dann werden die Baumarten bestimmt. Ob nun Eiche, Esche, Ahorn, Hainbuche oder Haselnuss – die Waldkinder kennen sie alle ganz genau.

Für das gemeinsame Protokoll werden alle Bäume gezählt, die Höhe gemessen und der Durchmesser bestimmt. Die zehn Vorschulkinder sind eifrig am Werk und hantieren freudvoll mit Messband und Zollstock, um die Eckdaten einer Baumbiografie zu erfassen. Der kleinste Baum ist gerade mal 12 cm groß, während der größte ca. 26 m hoch ist. Beide gehören zu der Art Traubeneiche. Zusammen mit der Diplom Biologin Katharina Leib wird im Kreis die Frage diskutiert „Was kann der Förster tun, damit die kleine Eiche auch eines Tages so groß wird?“

Die Kinder sind sich einig, mehr Sonne muss durch das dichte Kronendach zu den kleinen Bäumen dringen. Denn Eichen brauchen viel Platz und Licht, um empor zu wachsen. Clara hat einen guten Vorschlag: „Uta Krispin muss kommen und ein paar große Bäume fällen. Dann haben wir neues Holz für unsere Werkstatt und die kleinen Bäume mehr Licht.“ Das ist „Nachhaltige Waldwirtschaft“ spielerisch erforscht und erlebt.

So viel Wissenschaft macht hungrig. Magdalena Klich und Katrin Meister, zwei engagierte Mitstreiterinnen des Fördervereins, haben zusammen mit den Kindern einen köstlichen Eintopf über dem Feuer gekocht. Nach einer Ruhepause können es die Vorschulkinder kaum erwarten, in die Werkstatt zu kommen. Zusammen mit dem Holzkünstler üben sich die Kinder in der Umsetzung von komplexen Ideen. Ein Boot, ein Auto, eine Stiftschale und viele andere schöne Dinge entstehen im Laufe der Woche. Und alle sind sich einig: die Holzwerkstatt ist auch dieses Jahr ein großer Erfolg. Dank der Förderung durch die Naturstiftung David und in Zusammenarbeit mit vielen Kooperationspartnern ist diese Woche reich gefüllt mit neuen Erfahrungen und Erkenntnissen für die Waldkinder.

Text: Katharina Leib (2013)